Montag, 19. Mai 2014

Vor dem (Lauf)Pass

18.5.2014
Womit soll ich anfangen? Es ist so viel spannendes passiert, aber die Pointe vorweg nehmen? Das was die Fahrt gerade so richtig spannend macht oder ihr ein Ende setzen kann!? Naja bis zum letzteren Fall müsste noch eine Menge geschehen. Doch bleiben wir chronologisch korrekt! Die Ungeduldigen können ja nach unten scrollen.
Wie bekannt haben wir uns mangels sinnvoller Alternativen für die Route durch Georgien entschieden und das Klettern im Kaukasus. Es war, so wie wir bis vor wenigen Stunden dachten die richtige Entscheidung! Tolle Landschaften durften unsere Augen bewundern. Die Straßen sind in Ordnung, die Autofahrer etwas irre, aber reaktionsschnell. In einem Land wo plötzlich Kühe, Schafe, Esel, Hunde oder eben Radfahrer vor einem auftauchen ist dies auch notwendig. Zwar fühlten wir uns zunächst verunsichert, aber rückblickend muss man konstatieren, dass in der Türkei deutlich mehr Totes auf den Straßen lag. Auf jeden Fall hupen die Georgier deutlich aggressiver und seltener zum Anfeuern, eher zum Warnen, wobei es ein rhetorisches Warnen ist, was vielleicht als Drohung verstanden werden sollte. Darüber hinaus verstehen die Autofahrer die grünen "Control"-Schilder erkennbar durch die abgebildete Kamera eher als moderne Form des Scoutings für die Formel 1. Mich oder vielmehr sie sollte es mal wundern, dass keine georgischen Formel1-Fahrer mitfahren...
Die Erfahrung, die wir mit Menschen außerhalb ihres Autos gemacht haben sind überwiegend positiv. Zwar sind sie zunächst sehr distanziert, aber wenn man sie anspricht, mit ihnen ins Gespräch kommt oder der Alkohol ihre Stimmung lockert, sind sie sehr herzliche Menschen. Also eher so wie wir in Deutschland und nicht so direkt ja fast aufdringlich wie die Türken (diese verallgemeinernden Aussagen basieren auf einer höchst repräsentativen Stichprobe einer von uns durchgeführten Studie - höchst subjektiv! Oder war das doch objektiv?)
Meist kriegt man noch weitere Äpfel geschenkt, wenn man eigentlich nur 6 haben wollte, weil die genau das maximal mögliche Packmaß haben - aber wir wollen ja höflich sein.
Genau so höflich waren wir auch, als wir einmal an einem sehr heißen Tag, an dem wir wenig zum Frühstück gegessen hatten und zum Mittag großen Hunger hatten. Es war der 75. Tag unserer Reise und der dritte seit Batumi, als wir eben Brot und Nüsse kaufen wollten und auf ein Glas Vodka eingeladen wurden. Die Frauen am Backen, die Machos...ich meinte die Männer, mit Bauchumfang der zum Ausdruck brachte, dass sie in ihrem Leben neben dem Vodka auch dem Essen fröhnen, auf ihren Stühlen/Sesseln thronend, die die Hierarchie klärten, forderten uns auf mitzutrinken - wir wollten ja nur höflich sein. Sie gaben uns auch ein wenig von ihren Essensresten ab, aber wir waren zu höflich, um so viel zu essen, dass wir gesättigt wären. Zum Essen gab es natürlich das zweite Glas Gomi-Vodka, sehr lecker... die Folgen wären wohl abzusehen gewesen, aber wir waren doch so höflich... entsprechend wenig fahrtüchtig haben wir uns nur aus Höflichkeit auf die Drahtesel geschwungen und sind zwei Kilometer gefahren - wohl auch recht gerade - unter anderem durch einen Tunnel, ehe wir uns ein Plätzchen zum Ausnüchtern suchten, was mit einer kleinen Mahlzeit eigentlich schon getan war.
Statt auf der tollen Landschaft, den Bergen und den wundervollen Bergflüssen baut das georgische Selbstverständnis auf dem leckeren Weißwein und dem (Gomi)Vodka auf. Ach! durch Gomi sind wir zufällig auch durchgefahren und mussten eine Flasche als Andenken mitnehmen. Mal sehen wieviel km/Liter die durchhält? (1. Vodka aus St.Petersburg war gut und hielt 1700km; der zweite war schlecht hielt aber genau so lange, weil wir irgendwann keine Lust mehr hatten ihn mit zu transportieren, ohne dass jemand davon nur nippte - so wurde er ala Geschmacksverstärker beim Kochen genutzt.)
Weitere nette Menschen waren ein Imker, dem wir ein Glas abkaufen wollten, aber aufgrund von Sprachproblemen (sein Deutsch war miserabel, immerhin hatte er wohl 2-3 Jahre Deutsch in der Schule, so vor 20-30 Jahren) bekamen wir leckeren Honig direkt aus dem Bienenstock zum probieren, ein Kaffee und eine Menge Kekse geschenkt. Nicht das was wir haben wollten, aber wir sind ja für unsere Höflichkeit bekannt! Als wir dann an einer anderen Stelle ein Glas Honig erwerben wollten, machten wir unsere erste schlechte Erfahrung. Das Glas am Straßenstand war ausgeschildert mit 15 Lari. Die Frau wollte uns gerne das Glas verkaufen und verschwand kurz im Haus, als sie sah, dass ich einen 20er zückte, wohl um Wechselgeld zu holen. Doch stattdessen kam sie wieder mit dem Glas eingetütet und Preisschild abgekratzt und verlangte genau die 20 Lari!!! Diese Dreistigkeit ließen wir uns nicht gefallen. Jeder Sprachbarriere zum Trotz konnten wir ihr klar machen, dass wir in diesem Fall den Honig an einer der nächsten Buden kaufen würden. So willigte sie laut meckernd ein. Wir können auch "unhöflich"!
Die letzte Geschichte die ich euch noch erzähle, ehe die Pointe kommt, handelt von einem tollen Platz, direkt am Wasser, wo wir uns waschen konnten - nebenbei solche Plätze hatten wir die meisten Tage hier in Georgien. Der einzige Unterschied zu den anderen waren zwei klitzekleine Fußballtore, die am Abend eine Schar von kleinen "Fußballspielern" anlockte. Erschöpft vom Tag haben wir normalerweise abends keine Lust uns noch irgendwie zum Hampelmann der Sprachen zu machen, aber diese einmalige Chance wieder gegen einen Ball zu treten ließ ich mir nicht entgehen, während Mo die andere Variante wählte: statt auf die Menschen zu zugehen wollte er lieber in Ruhe lesen - und hatte stets eine Handvoll Kinder um sich herum, die dafür auch großes Verständnis zeigten :D
Doch zum Clou:
Wir haben uns mangels Alternativen für den Weg durch den Kaukasus entschieden. Die Grenze ist die einzige Landgrenze zwischen Russland und Georgien, die für Ausländer unproblematisch nutzbar ist. Nur leider ist seit gestern der einzige Pass durch einen von Schneeschmelze ausgelöster Erdrutsch gesperrt...
Wir versuchen es dennoch. Morgen wird die Lage inspiziert. Alternativen? Eigentlich keine! Warten! Je nach dem wie lange, müssen wir womöglich Zeit per Anhalter oder Bahn gut machen. Ersteres wäre auch wieder ein lustiges Abenteuer. Letzteres bei den Verhältnissen der russischen bzw. kasachischen Bahn wohl auch.
Jetzt campieren wir aber erst mal an einem Wasserkraftwerk auf 1600m und haben wifi (bzw. Hatten kurzfristig. Pünktlich zum hochladen nur noch WLAN ohne Internet. Wir versuchen es morgen früh nochmal) Blick auf einen dieser blöden schneebedeckten Gipfel, in der Nähe weiden Wildpferde (haben zumindest kein Zaun, kein Zaum und kein Reiter) und neben uns fließt ein lauter Bergfluss (wahrscheinlich das blöde Abwasser von der Schneeschmelze...)
Wir sind hier: 42 26.788 N 44 28.775 O













Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen