Montag, 16. Juni 2014

Brandenkasachstanburg

Zeit!
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Nichts zu sehen außer Autos, Staub und -wolken sowie die Weite.
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Das lässt Raum und Zeit!
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Zeit nachzudenken, zu reflektieren, sein eigenes Leben auf den Prüfstand zu stellen!
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Und das einzige was uns auffällt ist, dass es viele Parallelen zwischen Kasachstan und Brandenburg gibt. Entweder ist uns bereits zu langweilig, dass wir in voller Lethargie nicht mal mehr denken können oder wir haben es einfach zu gut - was angesicht erstmals schmerzender Hintern nicht sein kann!
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Nach 5500km die ersten Schmerzen!? So plötzlich!? bzw wieso jetzt? War die Eingewöhnungszeit (320h) zu kurz? Kommt die Belastung für die Hintern so überraschend? Ist es die Hitze? Haben sich unsere Sitzpolster durch gesessen?
Oder sind selbst unsere Hintern so phlegmatisch, dass sie erst jetzt kapieren, dass wir seit über 320h auf einem Lederfetzen sitzen! Bei Mo ist eine Erklärung vielleicht einfach: sein Sattel ist so weich und durch gesessen, dass er auf die unteren metallenen Streben aufsetzt/-sitzt. Bei mir lässt aber bestenfalls die dämpfende Wirkung der Hosenpolster nach... vielleicht ist es ja auch einfach nur die Hitze oder eben die Langeweile die einen an den Arsch (der Welt) erinnert - womit wir wieder bei Brandenburg wären!
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Also zurück zu Brandenburg- nur gedanklich, so schlimm ist es hier in Kasachstan nun auch nicht!
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Beide sind flach und öde, nichts zu sehen, außer ein paar Seen, die hier allerdings ausgetrocknet sind. Hier ist es wärmer als in Brandenburg, was vielleicht an der sozialen Kälte liegt. Denn hier haben wir mittlerweile sehr aufmerksame Menschen getroffen, die uns beim Überholen mit dem Auto eine Flasche Wasser, Cola oder sogar einmal Bier durch das Fenster reichten: Solch einen Service erhalten sonst nur die Profi-Radsportler...
Brandenburg hat vielleicht etwas mehr Bäume, daher kann man sich Kasachstan einfach wie Brandenburg nach einem Kahlschlag vorstellen.
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Apropos Kahlschlag! Auch politisch werden wir immer wieder an Brandenburg erinnert. Jeder zweite Kasache mit dem wir uns "unterhalten", fragt, nachdem wir uns als Deutsche geoutet hatten, nach Adolf Hitler, bzw bezeichnet uns als Faschisten. Allerdings sind wir sind uns nicht sicher, ob die entsprechenden Kasachen bei der Erwähnung unserer Herkunft sofort auf Adolf Hitler zusprechen kommen, um damit zu provozieren oder nur nachzufragen, also ein reines Interesse daran haben, wie dieses brisante Thema in Deutschland wissenschaftlich diskutiert und in den Schulen behandelt wird:
Denn so wie wir einfach nur "girmanja!" auf die Herkunftsfrage antworten, sagen sie einfach nur "Adolf Gitler!?" meinen aber Hitler, was daran verständlich wird, dass die nähere Erläuterung "faschisti!?" folgt. Zum Teil folgen weitere Erklärungen durch das Stramm stehen und abrupte Heben des rechten Armes.
Es ist ja bekannt, dass auch in Brandenburg die Meinung sehr weit verbreitet ist, dass das Deutsch-Sein mit rechter Ideologie verbunden ist.
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Mittlerweile sind wir davon abgekommen, solche Kommentare einfach zu ignorieren. Viel zu oft wird bei rechten Gedanken weggesehen und sie ignoriert! Wir nehmen stattdessen die Aufforderung zur Diskussion über die Frage zum wissenschaftlichen Stand und Umgang mit Hitler sehr ernst!
Lange haben Mo und ich überlegt wie man dieser Bitte um Perspektiverweiterung nachkommen kann. Die Ideen gingen von Beschimpfungen (abgelehnt aufgrund pazifistischer Einstellungen), bis hin zum auswendig gelernten Monolog auf russisch, der mehr Licht in das Dunkle bringen könnte (abgelehnt: keine Nachfragen möglich und zu viel Aufwand - wir haben ja keine Zeit). Daher stellen wir uns der Diskussion und machen auf der Stelle demonstrativ kehrt, begleitet mit dem Ausruf "Hitler njet!". Dies hatte leider auch einmal zur Folge, dass wir auf Wasser verzichteten, welches uns gerade gebracht wurde, ehe eine zweite Person aus dem Haus kam und uns mit der bekannten Initialfrage begrüßte.
So wie sie ihre weitreichende Frage sehr schlicht formuliert ist, ist unsere Antwort daran angepasst.
Ich bin davon begeistert, wie man mit so wenigen Wörtern Diskussionen bis in das letzte Detail führen kann. Aber gerade beim letzten mal sollte es einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, da wir 1. auf Wasser verzichteten, 2. den Ausruf "Hitler njet" wiederholten und 3. Mo und ich beim Umkehren uns in die Quere kamen, sodass Mo dabei halb-elegant vom Fahrrad absteigen musste und das Fahrrad in den Dreck legte.
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Doch es gibt auch Unterschiede zwischen Brandenburg und Kasachstan: Wölfe sind hier nicht Wölfe sondern Wildpferde, Kamele, Ziegen und Erdmännchen. Ich bin im Übrigen der Meinung Steve gefunden zu haben! Statt verstaubter Menschen gibt es hier verstaubte Sträucher. Die Entfernungen zwischen den Dörfern beträgt nicht 10 sondern eher 100km, was aber im Verhältnis zum restlichen Gebiet wahrscheinlich auf den gleichen Faktor hinausläuft. Ich denke weder Achim Mentzel noch Washington, Denzel waren jemals hier - wieso auch?
Auch gibt es Momente, in denen wir uns nach Brandenburg sehnen. Nicht nur weil wir damit Berlin näher wären. Nein! Die hiesigen Straßenverhältnisse lassen uns selbst die brandenburgischen Straßen/Autobahnen vermissen. Nachdem wit stellenweise gut ausgebaute Teerstraßen zwischen Atyrau und Dossor hatten, sind die Straßen hier nicht mehr als solche zu bezeichnen. Wir haben fakultativ bis zu 8-spurige Sandhighways, eine löchrige Schotterstraße oder einfach nur mannshohe Krater mit Asphalt drumherum. Es ist Adrenalin pur und fordert höchste Konzentration, den richtigen oder zu mindestens nicht den falschesten Weg zu finden. Es ist zum Teil wie Achterbahn fahren, nachteilig ist hierbei nur, dass der Verschleiß an Material recht hoch ist. Gestern (Tag 104) hatte ich kurz vor unserem anvisierten Zeltplatz am See (welcher dann doch ausgetrocknet war) einen Platten. Heute (Tag 105) war Moritz nach rund 20km an der Reihe. Rasch geflickt und dann geschah das eigentliche Problem... Freitag der 13.?
Fortsetzung folgt

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