Mittwoch, 17. September 2014

Ulangom nach Ulanbator

Wir sind in Ulanbator!
Nach 201 Tagen und rund 11.400km in 640 Stunden.
Eigentlich ist die Mission erfüllt, wäre da nicht noch Mos dämliche Idee gewesen nach China zu fahren.
Doch was ist in den letzten Wochen passiert? Seit Ulangom lief so einiges - auch verkehrt!

Wir kamen durch unseren Großeinkauf am Abfahrtstag (182), in Vorbereitung vier, fünf Tage autark leben zu können, erst kurz vor 12 Uhr los. Wie in die Stadt hinein, war die Straße heraus ebenso asphaltiert. Daher schafften wir über die geplanten 100km. Diese lange Distanz auf Teerstraßen sollte uns einen zeitlichen Puffer für die Offroadpassagen geben. Obwohl dreistellig, scheiterten wir 7km vor dem anvisierten See, an dem sandigen Weg der dorthin führte. Doppelt bitter, da wir just an dem Tag die 10.000km knackten. Da sind diese letzten 0,07% doch eigentlich sehr nah - aber zum waschen zu fern. Noch ärgerlicher war es, dass wir am folgenden Tag entdeckten, dass ein Stück die Teerstraße weiter es eine kürzere Anfahrt zum See gegeben hätte.
Am besagten folgenden Tag (183) war es uns ebenso möglich die anvisierten 100km zurückzulegen und kamen damit an das Ende der Teerstraße. Zum Abschluss brach mir hinten eine Speiche - auf glatter Straße!
Die Speiche war abends schnell ersetzt und die entstandene 8 wieder geglättet. Die anspruchslosen Tage tun den Fahrrädern scheinbar eben so wenig gut, wie uns die Ruhetage. Zum Glück wurde die Straße nach den ca. 200km wieder (nur) zur Sandpiste, wie wir sie aus Kasachstan und dem Anfang der Mongolei kannten - anstrengend aber befahrbar. Leider litten unsere Räder dann unter den Spätfolgen guter, asphaltierter Straßen. Mo brach ebenso eine Speiche (bis Ulanbator hatte jeder drei Speichen ersetzt. Alle auf asphaltierten Straßen gebrochen - Ermüdungsbrüche?).

Am Abend des ersten Sandpistentags (184) aßen wir zu abend in einer Jurte.
Bis zum jetzt sind wir nicht ganz warm geworden mit der Mentalität des Nomadenlebens. Sicherlich bedingt dadurch, dass unsere Mongolisch noch weit unter dem Level unseres Türkischs ist (welches wir beinah komplett verlernt haben), doch sämtliche Versuche aus einem Wörterbuch abzulesen (in Lautschrift geschrieben), stießen auf völliges Unverständnis! Die Sprache ist sehr merkwürdig auszusprechen! Sehr kehlig, erinnert mich etwas an das Klingonisch!
Auch die Bemühungen bzw. das Verständnis für Zeichensprache ist der gegenüberliegenden Fraktion wahrlich unbekannt. Üblicher Weise findet eine Benennung nur durch Begutachten statt und dann werden wir wieder in Ruhe gelassen. Interessanter Weise überholen uns so auch viele Autos. Schnell approchieren, langsam bei geöffnetem Fenster und Mund vorbei fahren, nichts sagen und sobald wir "hello!" sagen, beschleunigen. Etwas befremdlich für uns, aber wir gewöhnten uns daran: es läuft (irgendwie ein bisschen an uns vorbei)!

Zurück zur Jurte: Das Essen war lecker und durch das heraus Picken der kleinen Fleischstücke auch vegetarisch genießbar. Dazu gab es leckeren Tee mit Ziegenmilch. Leider hat mich davon irgendetwas außer Gefecht gesetzt. In der darauf folgenden Nacht trieb mich ein dringendes Bedürfnis nach draußen. Ab ca. drei Uhr Nachts bis Mittags wässerte ich regelmäßig die sonst so wasserlose Gegend - ohne uriniert zu haben: es läuft!
Völlig erschöpft konnte ich mich den restlichen Tag kaum bewegen. Mo umsorgte mich gut, indem er mich zum Essen zwang und stets für Lacher auf meine Kosten sorgte; meine persönliche Hausärztin diagnostizierte eine Lebensmittelvergiftung und gab entsprechende Anweisungen; und auch ich leistete meinen Beitrag zu Genesung, indem ich mich so wenig wie möglich zu bewegen versuchte. Mein Dank für die schnelle Genesung geht an zwei der drei genannten Personen - nicht an Mo, der aus puren Egoismus mich pflegte. Denn der Zeltplatz war karg und öde, das Wetter heiß und Zeitvertreib haben wir außer Lesen nicht mehr, seit nun auch der zweiten Gitarre das Genick gebrochen ist - Mo langweilte sich und wollte weiter!
Allen Übel zum Trotz gab es eine überraschend positive Wendung an diesem Tag. Zahlreiche (für mongolische Verhältnisse in dieser Gegend, sprich rund ein Dutzend) Autos fuhren am Tag an uns vorbei und alle ließen uns in Ruhe. Zum Abendbrot nahte abermals ein Auto, bereits lange durch Motorengeräusche und Staubwolken angekündigt. Mo konstatierte dass wir bislang ungestört blieben just in dem Moment, als das Auto anhielt. Davon amüsiert, sponn Mo weiter, dass es lustig wäre, wenn der Fahrer nun aus seinem Kofferraum einen 5l Wasserkanister holte und uns was brächte - welch prophetische Fähigkeiten Mo besitzt! Genau so erhielten wir etwas Wasser. Die begleitende Frau sprach dann gar ausreichend gutes englisch. Nach etwas Smalltalk verabschiedeten sie sich mit "Welcome to Mongolia"!
So ist uns die Mongolei gleich viel sympathischer geworden: es läuft (doch gleich viel besser)!

Noch einmal später, am Tag 195, hatte ich einen gesundheitlichen bzw. krankheitlichen Rückfall. Nach einem kilometerreichen Tag hatte ich plötzlich Bauchschmerzen, und das obwohl wir uns keiner Jurte zu sehr ihr geschweige denn uns in ihr genährt hätten. Völlig Grundlos also war mein Unwohlsein. Ich kann mir den nächtlichen Ausflug also nur als "Ermüdungsbruch" erklären: es bröckelte! Zum Glück ging es mir am folgenden Morgen ausreichend gut um in die Pedale zu treten. Wir mussten ja weiter! Slebe isch koi schlotza!

Die nächsten Tage (ab 186) waren dann ein Kampf gegen die Straßen (bis Tag 192) und gegen die Kälte (bis Tag 199). Es wurde zunehmend kälter, nachts gefror gar unser Wasser. Dadurch begann die Nase zu tropfen wie ein undichter Wasserhahn: es läuft! Wir gewannen sehr an Höhe und kletterten gar einmal auf 2600m, welches den höchsten Punkt unser Tour markierte.
Wir trafen dann zum Auftakt einer Reihe von Weltreisenden ein schweizer Paar im Van, welche uns eine Abkürzung verrieten - nicht eine solche wie man sie von meiner Mutter (oder mir) kennt, sondern eine die kürzer und asphaltierter sei! So wurde es sogar realistisch Ulanbator rechtzeitig für die Aufenthaltsverlängerung zu erreichen. Wir fuhren also statt nördlich nach Mörön lieber südlich über Kharkhorin (der ehemaligen, unspektakulären Hauptstadt zu Dsiggin Khans Zeiten) und hatten so meist sehr gute Straßen oder im Bau befindliche Straßen, die für den Verkehr noch gesperrt, für uns und durch uns freigegeben waren (ab Tag 193). Wir machten dann plötzlich regelmäßig um die 100km. Straßen gut, Profil in Ordnung, Gegenwind hielt sich in Grenzen: es lief! Und wir wollten ankommen!
Je besser die Straßen und je näher wir Ulanbator kamen, desto mehr Touristen und Reisende trafen wir. Es überholten uns gar wieder Mongol-Rally Autos, obwohl diese seit Ende August beendet ist. Am Ende sahen wir so viele Ausländer, dass man Lust bekam "Ausländer raus!" zu rufen, ehe wir uns besannen und uns darüber freuten wieder mit Leuten zu sprechen, statt nur begafft zu werden. Lustig waren die Begegnungen mit drei Radfahrteams: zwei englische Radler (einer von denen ist einer der Rally-Organisatoren), die von Ulangom den selben Weg wie wir fuhren. Allerdings in einem höheren Tempo, aber mit öfteren Stopps, sodass wir uns immer wieder gegenseitig überholten - bzw. wir öfter von denen überholt wurden. Mit denen visitierten wir einen erloschenen Vulkan nahe der Stadt Tariat. Zwei Tage fuhren wir mit einem französischen Päarchen, welches von Ulanbator aus Richtung Südostasien fährt. Und schließlich begegneten wir einem belgischen Rentnerpaar, welches für ein Jahr von Ulanbator aus über die Tibetregion gen Indien und Iran fährt.
Das einzige was wir aber nicht verstehen ist, dass wir in der immer öder werdenden Gegend immer mehr Reisende trafen, während im so schönen Altai uns keine Radreisenden begegneten.

Wir hatten sehr abwechslungsreiche Landschaften. Abwechslungsreich aber zum Ende hin eher öde - auch weil wir uns satt gesehen hatten, an ewig ocker-beige farbendende Gegenden. Meist waren wir umgeben von Steppe in bergiger Gegend. Beeindruckende Highlights gab es dennoch. Den erloschenen Vulkan (194), eine phantastische Schlucht mitten in der Steppe (195) und generell nach jedem Pass die weiten Ebenen, die sich vor einem auftaten.

Pannen gab es einige, aber keine wirklich spektakulären. Hin und wieder Reifen flicken. Aber wir tauschten unsere Mäntel des öfteren. Mos Conti aus Astana hatte auch den Geist aufgegeben. Bei meinem Hindustan H-800 für 5€ steht die Zahl wohl für die Laufleistung (wobei ich knapp das doppelte schaffte). Am Ende war so wenig Profil drauf und er von Innen so rissig, dass wir ihn mit Tape verstärkten. Ähnlich war es mit Mos Ersatzreifen, der wir in Aserbaidschan als Reserve kauften. Am Ende blieb uns nicht viel übrig, als in jedem Dorf nach Mänteln zu fragen. Schließlich bekamen wir gar die ästhetisch wertvollen rot-gelben Mäntel für umgerechnet 3,60€. Wir kauften drei Stück. Den ersten hatte Mo nach einem Tag hinten bereits herunter gefahren. Da vorne die Reifen weniger verschlissen werden, spannten wir die neuen Reifen dann doch lieber dort ein.

Jetzt gilt es in Ulanbator etwas vernünftiges Gummi zu finden, was nicht platzt und bis Peking hält.

Achso... und ich habe eine coole Mütze gefunden, die dann meine Glatze verdeckt, wenn es der Helm nicht tut

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