Samstag, 30. August 2014

Das Tal des Schreckens

Hilfe! Was war das?
Wir fuhren unsere ersten Kilometer in der Mongolei und waren zufrieden.
Zufrieden natürlich in erster Linie mit uns!
Aber auch zufrieden mit der Landschaft. Felsig und karg mit imposanten Formen wechselten sich ab mit runden, grünen Bergen. Extrem vielfältig in seiner Pracht erschien uns das Altai.
Zufrieden waren wir nicht zuletzt auch mit den Straßen. Zwar haben die Rally-Teilnehmer (welche berichteten, dass die Organisation dringend von der nördlichen Route abgeraten habe, da diese nicht befahrbar sei) als auch örtliche Bewohner versucht, uns zur südlichen Route zu bewegen (in Tsaagaannuur, wo sich die Straße in die südliche und die nördliche Route teilt, trafen wir einige englisch sprechende Personen. Überraschend kommt man mit russisch nicht weiter.) Doch wir haben die Nordroute geplant und so schlimm kann es ja nicht sein - dachten wir! Was weiß schon der hier lebende Mongole über die täglich von ihm befahrenen Straßen, wenn doch bei Google Maps als auch Open Street Maps eine klare Straße eingezeichnet ist und seit wann irrt das Internet?
Womöglich hätten wir auf die persönlichen Erfahrungen hören sollen! Kasachstans Straßen waren nur eine Übungsstrecke im Vergleich zu dem was uns erwartete.
Zunächst fuhren wir, uns selbst für unsere Entscheidung lobend und über alle anderen überheblich lächelnd, auf steinigen, aber passablen Straßen. Kurvig ging es zwischen einigen Bergen hindurch. Einzige Gefahr war zu frontal auf einen der größeren Steine aufzufahren und sich damit die Schläuche an der Felge zu perforienen. Gesagt getan: Einen kaschierten Stein haben ich übersehen mit entsprechenden Flickfolgen. Da begegnete uns zum ersten Mal auch die merkwürdige Art der ländlichen Bevölkerung. Aus dem Nichts hielt ein Motorrad neben uns. Der Mann stellte die Maschine beiseite und gaffte. Kein Wort zu uns. Wir waren interessante Lebewesen. So wie die Tiere im Zoo.
Diese Art von Bekanntschaft blieb kein Einzelfall. Wenn wir die Initiative zur Kommunikation ergriffen folgte selten etwas Ergiebiges. Erschwerend kam hinzu, dass diese gaffenden Personen lediglich mongolisch sprachen. Solche Sprachbarrieren hatten uns bislang auf der Reise nicht gehindert, waren wir stets in der Lage, über Gestik zu kommunizieren. Aber diese berittenen oder motorisierten Hirten riesiger Herden, die, sobald sie uns in der Ferne erblickten, aus Neugierde zu uns stießen, scheinen zu fasziniert von uns zu sein, als dass sie irgendwelche Reaktionen zeigen könnten - ganz so wie ein Reh, das sich nicht aus der Bahn der sich ihm nähernden Lichtern entfernt, ehe es die Lichter eben selber tun. Vielleicht leiden die beschriebenen Menschen auch nur unter einem pantomimischen Analphabetismus - eine Eigenschaft bzw. eine fehlende Eigenschaft die nach unseren Beobachtungen dann verstärkt auftritt, wenn die regionale Bevölkerung wenig Kontakt mit anderen Menschen zu haben scheint. Vielleicht gelingt es uns im dörflichen Bayern diese Beobachtung zu bestätigen.
Jedenfalls tat sich einige 100m nach der Reparatursession plötzlich eine weite Ebene vor uns auf. Herrlich! Bewegend! (Zu dem Zeitpunkt wussten wir nicht, dass es noch größere Ebenen zu bestaunen geben sollte.)
Unwissentlich haben wir etwas geschafft, wozu die meisten Meteorologen nicht in der Lage sind: zwei Tage in die Zukunft zu sehen! Irgendwo am gegenüberliegenden Hang sollte der Auf- und Ausstieg aus dem Tal sein - in zwei Tagen! Es waren zwar nur rund 40km, doch ließen die geröllenden, steinigen, kiesigen, sandigen, schottrigen Spurrinnen kaum Geschwindigkeiten über 10km/h zu - und das auf flachem Gebiet und ohne Wind! Wir hatten im Tal einen Schnitt von ca. 8,5km/h! Sollten am Ende alle bezüglich der Routenwahl Recht haben nur wir nicht? Es war wahnsinnig anstrengend - aber machbar.
Anstrengend war es auch psychisch.
Zum einen, weil die eingezeichnete Route auf unserer Karte nur eine idealisierte Linien war, die es den Nutzern vor Ort selbst überließ die tatsächlich vorhandenen Spurrillen zu wählen. Dabei führte jedoch keineswegs jeder dieser "Wege" in die Richtung, in die er zunächst zu gehen schien. So wählten wir nicht nur einmal den falschen "Weg". Umkehren war für uns aus Ehrgefühl und aus motivationaler Sicht undenkbar. Eine unbefahrbare Straße gleich zweimal zu befahren? Lieber vergeblich darauf spekulieren, dass es besser wird!
Zum anderen da uns noch zwei oder drei Flussüberquerungen angekündigt waren ("unüberwindbar" wie ein Rally-Teilnehmer sagte) und unsere Kalkulationen bezüglich Essens- und Wasserreserven ergaben, dass es knapp werden würde, ehe wir die nächste Einkaufsmöglichkeit erreichten. Doch sowohl die Flüsse stellten kein größeres Problem als das der nassen Füße dar, und auch die Nahrungsreserven passten mit einem Tag Puffer.
Doch war es unser Glück, dass die bekannten Straßenverhältnisse aus dem Tal des Schreckens nicht so blieben. Wir hatten noch drei oder vier anstrengende Pässe zu bewältigen. Aber die Wege wurden besser und besser, was insbesondere für die Abfahrten von großer Bedeutung war. Am Ende hatten wir gar wahrhaftigen Asphalt!
PS: der Hindustan hält. Hat zwar einigen pubertäre Beulen an der Seite, aber läuft rund und stabil!

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